Die Grenze zwischen Krise und permanentem Ausnahmezustand in vielen Unternehmen verwischt zusehends
Krisenkommunikation - welche spontanen Assoziationen kommen einem bei diesem Stichwort in den Sinn? In der Regel Extremfälle wie Brend Spar oder Exxon Valdez - beide eindeutig im Bereich "Super Gau" einzuordnen. Doch wo setzt eigentlich die Definition der so genannten Krise von Unternehmen an? Betrachtet man die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung, so fällt es schwer, nur noch in Extremsituationen von Krise zu sprechen. Vielmehr scheinen die Grenzen immer mehr zu verwischen, denn die Krise im eigentlichen Sinne des Wortes, nämlich als "Wendepunkt" oder "entscheidende Situation" prägt vielfach bereits den unternehmerischen Alltag. Der permanente Ausnahmezustand wird zur Normalität. Beispiel Lufthansa: Seit dem 11. September musste das Flug-Unternehmen - wie die gesamte Branche - Krisenkommunikation betreiben, um die Fluggäste zu halten. Kaum hatte sich die Lage wieder etwas beruhigt, kam mit SARS die nächste Krise. Und immer wieder kocht das Thema Entlassungen hoch. Von Normalität also keine Spur.
Ähnliches gilt für Unternehmen, die im Zuge von Globalisierung, sich rasant verändernder Märkte und der sich immer wieder neu stellenden Frage nach der richtigen Geschäftsstrategie unter erhöhtem Erklärungsdruck stehen - und das dauerhaft. Noch zugespitzter ist die Lage bei Unternehmen, wie zum Beispiel Grundig, die über lange Zeit nicht wissen, was morgen mit ihnen geschieht. Oder Anbieter auf dem Telekommunikationsmarkt, die, um in dem hochkompetitiven Markt zu überleben, fast permanent Strategie, Angebot und Produkte verändern müssen. Ist das Change-, Corporate oder Krisen-Kommunikation? In jedem Fall erfordern sämtliche dieser Situationen eine permanente, prozessbegleitende Kommunikation, die den Ausnahmezustand als Kontinuum begreift und den Beteiligten die Sicherheit vermittelt, Herr der Lage zu sein - und das permanent. Der Begriff Krisenkommunikation erhält auf diesem Hintergrund eine Bedeutungserweiterung, wirkt oft sogar anachronistisch.
Geht es bei der klassischen Krisenkommunikation in erster Linie um das technisch möglichst perfekte Screenen von Issues, damit mögliche "Brandherde" möglichst früh identifiziert werden können, die Bildung eines Krisenstabs und die Entwicklung von Handlungsoptionen, so bedarf es in der Prozesskommunikation dauerhaft angelegter Tools. So braucht es auf der operativen Seite eine funktionierende Infrastruktur, eine vernetzte und aufeinander abgestimmte Medienarchitektur und vor allem ein ausgefeiltes Prozessmanagement, das inhaltliche und prozessuale Sicherheit garantiert - aber dauerhaft. Zudem ist eine auf die Führungsspitze zugeschnittene Kommunikation dabei unerlässlich.
Krisenkommunikation ist heute also nicht mehr ein stand-alone Beratungstool für den Ernstfall schlechthin, sondern vielmehr ein Tool, das konsequent mit anderen Beratungsbereichen vernetzt werden muss.